Wie bei jedem anderen Vertrag auch kann es auch im Mietverhältnis vorkommen, dass Probleme auftreten…
„Abmahnung“ durch RAAG Kanzlei für Herrn Wang Yu wegen Google Fonts
Kürzlich haben wir über die Abmahnungen des Berliner Rechtsanwalts Kilian Lenard berichtet, der im Auftrag für Herrn Martin Ismail bzw. die Interessengemeinschaft Datenschutz aus unserer Sicht äußerst fragwürdige „Abmahnungen“ wegen der Nutzung von Google Fonts auf Internetseiten ausgesprochen hat bzw. vermutlich immer noch ausspricht.
Das Vorgehen ist indessen kein Einzelfall, wohl bedingt durch die Entscheidung des LG München I, Urteil vom 20.01.2022, Az. 3 O 17493/20. Es finden sich zwischenzeitlich viele „Geschädigte“, die offenbar allesamt im guten Glauben völlig sorgenfrei durchs Internet surfen und dann völlig schockiert feststellen müssen, dass sie hierbei Spuren hinterlassen. Die ironische Formulierung einmal beiseitegelassen: es gibt aus rechtlicher Sicht tatsächlich datenschutzrechtliche Probleme, die bei der dynamischen Einbindung von Google Fonts auftreten.
Rechtslage
Bei der Nutzung von Google Fonts kommen zwei verschiedene Wege in Betracht: möglich ist zunächst die statische Variante, bei der die gewünschte Schriftart auf den eigenen Server hochgeladen und sodann lokal in die eigene Webseite eingebunden wird. Bei Aufruf der Internetseite durch einen Nutzer werden in diesem Fall keine Daten an Google übertragen, so dass kein Datenschutzverstoß droht. Anders hingegen die dynamische Variante: hier erfolgt die Einbindung der Schriftart nicht über den eigenen Server, sondern durch ein Code-Snippet im HTML-Code der Webseite. Wird die Internetseite nunmehr aufgerufen, so wird eine Verbindung zu den Google-Servern aufgebaut, wobei sodann zumindest die IP-Adresse des Seitenbesuchers an Google übertragen wird. Erfolgt diese Datenübertragung ohne vorherige Einwilligung des Nutzers, so kann hierin ein Datenschutzverstoß liegen. Das LG München, Urteil vom 20.01.2022, Az. 3 O 17493/20, hat in einem solchen Fall einen Anspruch auf Unterlassung und Schadenersatz zugesprochen.
Folgen für die Praxis
Unter anderem bedingt durch die genannte Entscheidung des LG München kam es zuletzt häufiger dazu, dass „Abmahnungen“ an Webseitenbetreiber gesendet wurden und ein Datenschutzverstoß durch die dynamische Einbindung von Google Fonts geltend gemacht wurde. Derartige Schreiben gibt es in unterschiedlicher Formulierung, zum Teil werden (auch) Unterlassungsansprüche geltend gemacht und die Abgabe einer Unterlassungserklärung gefordert, in jedem Fall aber wird von dem von dem Datenschutzverstoß betroffenen Nutzer Schadenersatz bzw. Schmerzensgeld verlangt.
Soweit Sie sich mit der Problematik ein wenig mehr befassen möchten, sei an dieser Stelle lediglich auf unseren früheren Artikel „Abmahnung“ durch Rechtsanwalt Kilian Lenard für Martin Ismail – Interessengemeinschaft Datenschutz wegen Google Fonts“ verwiesen – die dortigen Erklärungen sind auf den vorliegenden Fall weitestgehend übertragbar.
Abmahnung der RAAG Kanzlei für Herrn Wang Yu wegen Google Fonts
Seit kurzem werden uns nun weitere „Abmahnungen“ vorgelegt, die ebenfalls auf einer datenschutzwidrigen Nutzung von Google Fonts beruhen. Sie stammen von der Kanzlei RAAG respektive dem Rechtsanwalt Nikolaos Kairis, der verschiedene Ansprüche für einen Herrn Wang Yu anmeldet. In den uns vorgelegten Schreiben werden dabei unter anderem Ansprüche auf Unterlassung nach Art 17 DSGVO bzw.§ 823 Abs. 1 BGB i.V. m. 1004 BGB , Auskunft über die Datenverarbeitung nach Art 15 DSGO und Anspruch auf Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO sowie ein Anspruch auf Kosten genannt.
Das Schreiben schließt sodann mit der Formulierung, dass dem Betreiber der jeweiligen Internetseite ein Vergleichsangebot unterbreitet werde: gleicht der „Abgemahnte“ binnen einer Woche den Schadenersatz sowie die Anwaltskosten aus, so würde damit gleichzeitig bestätigt, dass der Webseitenbetreiber zukünftig die Datenübermittlung an Google unterlassen würde. Weitere Schritte würden dann nicht eingeleitet, sondern es seien alle genannten Ansprüche vergleichsweise erledigt. Werde auf das Angebot indessen nicht eingegangen, so gibt es noch die Information, dass in anderen Fällen bereits Klageauftrag erteilt worden sei.
Der Vollständigkeit halber: der „Abmahner“ möchte in diesem Fall insgesamt 226,10 Euro von dem betroffenen Seitenbetreiber, die sich in 140,00 Euro Schadenersatz, 30,00 Euro Geschäftsgebühren, 20,00 Euro Postentgelte und 36,10 Euro Mehrwertsteuer aufschlüsseln.
Was ist hiervon zu halten?
Zunächst einmal: in juristischer Hinsicht ist es Unsinn, dass durch die Zahlung auf eine „Abmahnung“ die Unterlassungsforderung erfüllt werden kann. Die Zahlungsforderung und die Unterlassungsforderung haben erst einmal – auch wenn sie aus einem Sachverhalt geltend gemacht werden können – nichts miteinander zu tun; es unterscheiden sich nicht nur die Voraussetzungen, sondern auch deren Rechtsfolgen erheblich. Im Gegenteil ist es sogar so, dass es ein deutlicher Hinweis auf einen Rechtsmissbrauch ist, wenn sich ein „Abmahner“ damit begnügt, Zahlungen zu vereinnahmen und ohne ersichtlichen Grund davon absieht, einen bestehenden Unterlassungsanspruch nicht weiterzuverfolgen.
Insoweit sei kurz der Sinn und Zweck einer Abmahnung erläutert: die Abmahnung dient dazu, ein rechtswidriges Verhalten für die Zukunft abzustellen. Bei einer echten Abmahnung geht es daher in allererster Linie darum, dass der Unterlassungsanspruch vorgebracht und durchgesetzt wird. Alle anderen Ansprüche auf Kostenerstattung, Schadenersatz, Auskunft usw. sind immer nur von sekundärer Bedeutung. Wird also ein Rechtsverstoß behauptet, der einen Unterlassungsanspruch rechtfertigt, dann wäre auch in erster Linie der Unterlassungsanspruch durchzusetzen. Schließlich geht es dem „Abmahner“ ja vorgeblich darum, einen rechtmäßigen Zustand herzustellen. Vorliegend würde der rechtmäßige Zustand der sein, dass der Webseitenbetreiber zukünftig entweder keine dynamischen Google Fonts mehr nutzt oder eben vorab eine Einwilligung des Seitenbesuchers einholt. Wenn aber der Abmahner vereinfacht ausgedrückt sagt, „der rechtmäßige Zustand ist mir egal, ich möchte nur Geld sehen“, dann darf man durchaus davon ausgehen, dass sachfremde Motive bei der Anspruchsgeltendmachung tragend sind. Ein solches sachfremdes Motiv und ein ganz deutlicher Hinweis auf einen Rechtsmissbrauch ist dabei gerade, dass das Interesse, Einnahmen zu generieren, in den Vordergrund tritt.
Auch bei dem geforderten Zahlungsbetrag kann man durchaus kritisch fragen, wie dieser zustande kommt. Ohne hier das anwaltliche Gebührenrecht im Detail darzustellen: eine 1,3 Geschäftsgebühr, die sich auf 30,00 Euro beläuft, würde sich für keinen der im Schreiben genannten Ansprüche ergeben. Und erst recht würde bei einer Geschäftsgebühr, die sich auf 30,00 Euro beläuft, die volle Postpauschale über 20,00 Euro nicht anfallen. Die 50,00 Euro (netto), die hier insgesamt an Abmahnkosten geltend gemacht werden, stellen wohl eher einen „Wunschbetrag“ als einen rechtlich begründbaren Kostenersatz dar.
Auch bei den aktuellen „Abmahnschreiben“ der RAAG Kanzlei drängt sich hier ganz deutlich der Eindruck auf, dass es sich um eine rechtsmissbräuchliche Massenabmahnung handelt.
Die richtige Reaktion
Auch hinsichtlich der richtigen Reaktion möchte ich zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Erklärungen aus unserem Beitrag „Abmahnung“ durch Rechtsanwalt Kilian Lenard für Martin Ismail – Interessengemeinschaft Datenschutz wegen Google Fonts“ verweisen. Sie finden dort zudem ein Musterschreiben, das allgemein unter Beachtung der gegebenen Hinweise kostenfrei verwendet werden kann, um auf derartige Abmahnungen zu reagieren.
Meinung
Ausgehend von den verschiedenen Google Fonts Abmahnungen, die sich derzeit im Umlauf befinden, erscheint es mir angebracht, einmal eine persönliche Meinung zu derartigen Vorgängen zu äußern, die sich nicht zwangsläufig mit der Rechtslage decken muss.
Offen gesagt: was bringt Menschen dazu, derartige Streitereien zu beginnen? In sämtlichen Fällen, die uns bislang zur Bearbeitung vorgelegt worden sind, werden eher geringe Zahlungsforderungen gestellt, wegen derer vernünftige Menschen bei wirtschaftlicher und verständiger Betrachtung keinen Rechtsstreit führen würden. Selbstverständlich geht es bei derartigen Vorgängen nicht um den einzelnen Fall, sondern es gilt die Devise: „Die Masse machts.“ Das, was viele juristische Laien in solchen Fällen annehmen, nämlich dass sich derartige „Abmahnungen“ schon dann auszahlen, wenn nur ein Teil der betroffenen Seitenbetreiber zahlt, dürfte wohl tatsächlich der Hauptgrund dafür sein, warum sich immer wieder „Geschädigte“ finden, die sich hier als „Ritter des Rechts“ sehen und glauben, ohne großen Aufwand auch gleich noch ein wenig ins eigene Portemonnaie wirtschaften zu können.
Ganz offensichtlich wird dabei auch das Urteil des LG München I, auf das sich die geltend gemachten Zahlungsansprüche überwiegend stützen, in einem zentralen Punkt falsch verstanden: das LG München I hat zwar Schadenersatz zugesprochen, dabei aber zwei wichtige Einschränkungen gemacht. Zum einen war es so, dass eine wiederholte Übermittlung der IP-Adresse in die USA erfolgt war und eben nicht der einmalige Aufruf einer Internetseite ausreichte. Zum anderen schreibt das LG München I ausdrücklich:
„Der damit verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist im Hinblick auf den Kontrollverlust des Klägers über ein personenbezogenes Datum an Google, ein Unternehmen, das bekanntermaßen Daten über seine Nutzer sammelt und das damit vom Kläger empfundene individuelle Unwohlsein so erheblich, dass ein Schadensersatzanspruch gerechtfertigt ist.“
Eben ein solcher Kontrollverlust ist aber gerade dann nicht anzunehmen, wenn wie in den Google Fonts-Abmahnfällen der „Geschädigte“ gezielt nach Webseiten sucht, auf denen Google Fonts dynamisch eingebunden werden. Bildlich gesprochen: kaufen Sie sich im Baumarkt einen Hammer und nutzen diesen bewusst, um sich selbst die Finger platt zu hauen, dann wird Ihnen der Baumarkt im Zweifel kein Schmerzensgeld zahlen müssen.
Verstehen Sie mich nicht falsch: wenn ein Datenschutzverstoß vorliegt, so ist dieser selbstverständlich abzustellen. Jeder Seitenbetreiber hat insoweit die geltende Rechtslage zu beachten und einzuhalten.
Ist es aber wirklich notwendig, dass in Zeiten wie diesen, die von vielen verschiedenen Krisen geprägt sind und denen Menschen ganz andere Probleme haben als die Frage, ob bei Aufruf einer Internetseite eine IP-Adresse in die USA übermittelt wird, nun auch noch wegen solcher Minimalforderungen derartige Rechtsstreitigkeiten zu beginnen? Ich für meinen Teil halte das in höchstem Maße für moralisch beanstandungswürdig.