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Schreiner Lederer Rechtsanwälte GbR

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LG München I: Einer muss die Zeche zahlen

Die Rechtsanwaltskanzlei Waldorf Frommer weist auf ihrer Internetseite auf eine aktuelle Entscheidung des LG München I, Urteil vom 10.12.2014, Az. 21 S 7101/14, hin.

In diesem Verfahren ging es – wie so oft – um die gerichtliche Geltendmachung von Zahlungsansprüchen nach einer Abmahnung. In der ersten Instanz hatte das Amtsgericht München zu Gunsten der klagenden Rechteinhaberin entschieden und die Beklagte verurteilt, Rechtsanwaltskosten und Schadenersatz in Höhe von insgesamt 956,- Euro zu zahlen.

Gegen dieses Urteil hatte die Beklagte sodann Berufung eingelegt, die nun durch das Landgericht München I zurückgewiesen wurde. Dabei ging das Landgericht zwar aufgrund der vorgetragenen Mehrpersonen-Konstellation davon aus, dass im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH keine Vermutung für die Täterschaft der Beklagten bestehe. Die Berufung hatte aber dennoch keinen Erfolg, weil es im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht ausreiche, lediglich pauschal auf weitere Nutzer zu verweisen.

Aus dem Urteil:

„Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, über dessen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen wurde, nicht begründet, wenn – wie hier – zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten.

Die Beklagte trifft jedoch eine sekundäre Darlegungslast, der sie dadurch entspricht, dass sie vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbst keinen Zugang zu ihrem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Insoweit ist sie im Rahmen des zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet.

Damit verlangt der BGH einen konkreten tatbezogenen Vortrag, der über die pauschale Angabe der Nutzungsmöglichkeit Dritter hinausgehen muss, denn ein solches Vorbringen reicht lediglich aus, um der tatsächlichen Vermutung die Grundlage zu entziehen. Genau darin erschöpft sich jedoch hier der Vortrag der Beklagten. Die Benennung der Tochter als einziges weiteres Haushaltsmitglied ist nicht tatzeitbezogen, Angaben über die Ergebnisse etwaiger Nachforschungen fehlen. Soweit die Beklagte darauf abstellt, ihr seien Nachforschungen wegen des Zeitablaufs bis zur Klageerhebung nicht zumutbar, ist sie darauf zu verweisen, dass die Abmahnung zeitnah erfolgt ist. Soweit sie erstmals in der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz vorträgt, zum Tatzeitpunkt nicht zuhause gewesen zu sein, wäre dies zum einen verspätet, zum anderen um behilflich, da Tauschvorgänge auch in Abwesenheit ablaufen können.“

Kommentar:

Die Entscheidung des LG München I zeigt einmal mehr das grundlegende Problem, das in Filesharing-Prozessen besteht. Unterstellt, eine Rechtsverletzung wurde fehlerfrei ermittelt und dem Internetanschluss einer Person zugewiesen, so kann im Regelfall nur diese Person Angaben dazu machen, wer den Anschluss nutzt und wie dieser genutzt wird. Der Rechteinhaber andererseits, dessen Werke durch das illegale Verbreiten mittels Tauschbörsen betroffen sind, hat jedenfalls zunächst keine Möglichkeit, den wirklichen Täter zu belangen.

Über dieses Problem hat sich die Rechtsprechung hinweg geholfen, indem die vermutete Haftung des Anschlussinhabers konstruiert wurde: grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Anschlussinhaber für die über seinen Internetanschluss begangenen Rechtsverletzungen (als Täter) verantwortlich ist.

Anfang 2014 hat der BGH dann aber entschieden, dass eine solche Vermutung nicht besteht, wenn mehrere Personen einen Internetanschluss benutzen. Das ist auch logisch: nutzen mehrere Personen einen Internetanschluss gleichberechtigt, so ist weder für die eine noch die andere Person wahrscheinlicher, dass eben genau diese Person die Rechtsverletzung begangen hat. Es kommen eben mehrere Personen als Täter in Betracht. Mit anderen Worten: immer dann wenn mehr als eine Person einen Internetanschluss nutzen können, dann kann nicht mehr vermutet werden, dass der Anschlussinhaber in der Verantwortung steht.

An dieser Stelle setzt sich nun ein Streit fort, der bereits vor der Klarstellung durch den BGH bestanden hat: es geht um die Fragen der so genannten sekundären Darlegungslast. Verkürzt ausgedrückt ist hiermit gemeint, dass der Anschlussinhaber sich nicht darauf zurückziehen kann, die eigene Verantwortlichkeit einfach nur zu bestreiten (im Sinne von „Ich war es nicht.“). Vielmehr bedarf es eines qualifizierten Bestreitens der ihm vorgeworfen Rechtsverletzung (im Sinne von: „Ich war es nicht, weil…“). Mit der BearShare-Entscheidung hat der BGH hier zudem eine sog. Nachforschungspflicht des Anschlussinhabers „erfunden“ (BGH, Urteil vom 8. 1. 2014 – I ZR 169/12 – BearShare).

Und natürlich ist – wie sollte es auch anders sein – derzeit in höchstem Maße umstritten, was zu dieser Nachforschungspflicht gehört, welche Angaben insoweit gemacht werden müssen oder wie es sich mit der sekundären Darlegungslast seit der BearShare-Entscheidung verhält.

Das LG München I wählt hier einen recht pragmatischen Ansatz nach dem Motto: „Einer muss die Zeche zahlen.“ Wenn es die Rechtsverletzung gegeben hat, dann muss eben auch irgendjemand dafür in Anspruch genommen werden können – egal, ob dies nun die richtige Person ist oder nicht.

In sich ist auch die Argumentation des LG München I nicht überzeugend:

Es bestehe zwar keine tatsächliche Vermutung für eine Verantwortlichkeit der Beklagten. Da diese aber ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen sei bzw. ihre Nachforschungspflichten nicht erfüllt habe, soll sie doch verantwortlich sein. Für mich klingt das mehr nach dem Vorwurf einer Aufklärungspflichtverletzung, nicht aber nach dem Vorwurf einer durch die Beklagte begangenen Urheberrechtsverletzung.

Weiter: „Die Benennung der Tochter als einziges weiteres Haushaltsmitglied ist nicht tatzeitbezogen, Angaben über die Ergebnisse etwaiger Nachforschungen fehlen.“

Ausgehend von diesem Satz müsste folgendes gelten: lautet der Vortrag nicht, dass der Anschluss allgemein von weiteren Personen genutzt werden kann, sondern dass diese Nutzungsmöglichkeit auch im Tatzeitpunkt bestand (oder noch genauer: dass die Person den Anschluss im Tatzeitpunkt genutzt hat), so wäre der vom Landgericht München geforderte Tatzeitbezug hergestellt, die weitere Person käme konkret als Täter in Betracht.

Und was ist überhaupt mit den „Ergebnissen etwaiger Nachforschungen“? Offen bleibt, wie diese gewertet würden. Ist der sekundären Darlegungslast bzw. der Nachforschungspflicht genügt, wenn der beklagte Anschlussinhaber dieser zwar auf eigenes Betreiben umfassend nachkommt, dann aber (wahrheitsgemäß) mitteilen würde, dass er die Rechtsverletzung nicht aufklären oder einen Täter nicht ermitteln konnte? Oder ist der beklagte Anschlussinhaber darauf verwiesen, den Aussagen von Mitnutzern – die ja nicht potentiell Familienmitglieder sein müssen – auf Gedeih und Verderb Glauben zu schenken? Und wenn es sich um Familienmitglieder handelt: muss der Anschlussinhaber tatsächlich ein Familienmitglied einer Straftat bezichtigen? Denn nichts anderes ist eine Urheberrechtsverletzung mittels Filesharing letztlich.

Die beiden weiteren Begründungen des LG München I sind aus meiner Sicht ebenso wenig haltbar und wirken teilweise nach Verkennung der Lebenswirklichkeit:

Soweit die Beklagte darauf abstellt, ihr seien Nachforschungen wegen des Zeitablaufs bis zur Klageerhebung nicht zumutbar, ist sie darauf zu verweisen, dass die Abmahnung zeitnah erfolgt ist.“

Insoweit dürfte meiner Einschätzung nach zu berücksichtigen sein, dass die Nachforschungspflicht als solche erst mit der BearShare-Entscheidung des BGH aufkam, die im Volltext erst ab Juni 2014 vorlag. Im Nachhinein also darauf abzustellen, dass bei Abmahnungen, die vor mehreren Jahren ausgesprochen wurden und die jetzt vor Gericht Verfahrensgegenstand sind, eine solche Pflicht vor allem wegen der zeitnah nach der angeblich begangenen Rechtsverletzung eingetroffenen Abmahnung bestanden habe, kann so pauschal wohl nicht gelten. Hier dürfte es meiner Sicht nach auf die Umstände des Einzelfalls ankommen.

Zuletzt noch der Punkt mit der Abwesenheit: das gerne von Gerichten aufgegriffene Argument, dass Tauschbörsen auch in Abwesenheit des Nutzers laufen können, ist zumindest in Mehrpersonen-Konstellationen völlig irrelevant. Ja, es ist richtig: der Anschlussinhaber kann ein Tauschbörsenprogramm starten und dann das Haus verlassen. Es ist aber auch richtig: in einem Mehrpersonen-Haushalt kann auch jeder andere Nutzer ein Tauschbörsenprogramm starten und dann das Haus verlassen – und damit kommt eben auch die andere Person wieder als Täter in Betracht.

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