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AG Hannover: Streaming stellt keine Urheberrechtsverletzung dar
Das AG Hannover hat mit Urteil vom 27.05.2014, Az. 550 C 13749/13, enthschieden, dass Streaming keine abmahnfähige Urheberrechtsverletzung darstellt.
In dem konkreten Fall war es um die durch die Kanzlei U+C Rechtsanwälte geltend gemachten Zahlungsansprüche in den bekannten Redtube-Abmahnungen (The Archive AG) wegen angeblichen Urheberrechtsverletzungen durch Streaming gegangen. Das AG Hannover befasste sich nunmehr im Rahmen einer negativen Feststellungsklage mit diesen und kam dabei zu dem Ergebnis, dass die behaupteten Ansprüche nicht bestehen. Streaming ist nach der Entscheidung des AG Hannover jedenfalls dann nach § 44a Nr. 2 UrhG zulässig, wenn kurzfristig eine nicht offensichtlich rechtswidrige Vorlage gestreamt wird.
Auf das Urteil hingewiesen haben die Kollegen der Feil Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
Das Urteil im Volltext:
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Hannover ergibt sich aus §§ 104, 104a, 105 UrhG i.V.m. § 6 der Landesverordnung zur Regelung von Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltung (ZustVO-Justiz) vom 18. Dezember 2009 (Nds. GVBl. 2009, 506). Gerichtsstand der negativen Feststellungsklage ist der Gerichtsstand einer etwaigen gegenläufigen Leistungsklage (Zöller, Kommentar zur ZPO, § 256 Rn. 20). Da die Klage eine urheberrechtliche Streitigkeit zum Gegenstand hat, müsste die Beklagte daher ihre Zahlungsansprüche am Gerichtsstand der Klägerin in Hannover gerichtlich durchsetzen.
Ein negatives Feststellungsinteresse gemäß § 256 I ZPO ist ebenfalls gegeben, denn die beklagte forderte die Zahlung der streitgegenständlichen 250,- Euro von der Klägerin in der von ihr ausgesprochenen Abmahnung und berühmte sich so eines bestehenden Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien. Aus der zu den Akten gereichten Abmahnung der Beklagten (Anlage K1) geht eindeutig hervor, dass sie sich im Falle einer Weigerung der Schadensersatzzahlung sowie der Abgabe der Unterlassungserklärung ausdrücklich vorbehält, sowohl zivil- als auch strafrechtliche Schritte gegen die Klägerin einzuleiten.
Die Klage ist begründet.
Es wird festgestellt, dass der Beklagten keine finanziellen Ansprüche aus der Abmahnung vom 04.12.2013, insbesondere keine Forderung in Höhe von 250,- Euro zustehen.
Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 97 I UrhG. Denn es fehlt an der erforderlichen rechtswidrigen Verletzung eines nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechtes.
Es kann sowohl offen bleiben, ob die Beklagte tatsächlich Inhaberin ausschließlicher Vervielfältigungsrechte bzgl. des abgemahnten Films ist, als auch, ob der Film tatsächlich auf der Internetseite unter dem Filelink (…) öffentlich zugänglich gemacht wurde, denn die Abmahnung ist aus den folgenden Gründen unberechtigt.
Die in der Abmahnung begehrte Unterlassungsverpflichtung ist zu weitreichend formuliert. Das Unterlassungsverlangen der Beklagten richtet sich bzgl. des in der Abmahnung benannten Films auf das Unterlassen des Streamings als solches. Damit erfasst dieses Unterlassungsverlangen aber auch denjenigen fall, dass ein Streaming einer nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellten bzw. öffentlich zugänglich gemachten Vorlage erfolgt. Das Streaming ist aber jedenfalls dann nach § 44a Nr. 2 UrhG zulässig, wenn kurzfristig eine nicht offensichtlich rechtswidrige Vorlage gestreamt wird (vgl. Wandtke/von Gerlach, Die urheberrechtliche Rechtmäßigkeit der Nutzung von Audio-Video Streaminginhalten im Internet, GRUR 2013, 676). Insofern fehlt es hier schon an der notwendigen Bestimmtheit der Abmahnung im Sinne des § 97 a II Nr. 4 UrhG.
Die Abmahnung ist ferner unberechtigt, da der Klägerin vorgeworfen wurde, eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte bzw. öffentlich zugänglich gemachte Vorlage gestreamt zu haben, ohne zu begründen, inwiefern die Klägerin diese offensichtliche Rechtswidrigkeit hätte erkennen sollen. An einer solchen offensichtlichen Rechtsverletzung fehlt es. Offensichtlich ist eine Rechtsverletzung dann, wenn eine ungerechtfertigte Belastung des Dritten ausgeschlossen erscheint, wobei Zweifel in tatsächlicher, aber auch in rechtlicher Hinsicht die Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung ausschließen würden (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 16/5048, S. 39). Solche Zweifel bestehen vorliegend.
Bei den streitgegenständlichen Verletzungshandlungen handelt es sich um sog. Streaming, also um das Abspielen einer Video-Datei im Webbrowser des Nutzers. Bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt ist die Frage, ob dieses Streaming eine unerlaubte Vervielfältigung im Sinne des § 16 UhrG darstellt. Anders als das Filesharing, das die Zielrichtung hat, fremde Daten zu speichern und anderen zur Verfügung zu stellen, ist das Streaming auf den reinen Werkgenuss gerichtet. Der Betrachter eines Videostreams nutzt die Daten, um die Inhalte auf dem eigenen Endgerät wiederzugeben. Dafür ist jedoch zumindest die kurzfristige Speicherung auf der Festplatte des Endgerätes erforderlich (vgl. Hilgert/Hilgert, Nutzung von Streaming-Portalen, MMR 2014, 85). Ob das Streaming eine unerlaubte Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG darstellt, kann jedoch dahinstehen.
Denn hierbei handelt es sich jedenfalls dann nicht um einen relevanten Verstoß gegen das Urheberrecht, wenn es sich im Sinne des § 44a Nr. 2 UrhG um vorübergehende Vervielfältigungshandlungen handelt, die flüchtig bzw. begleitend sind, um eine rechtmäßige Nutzung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands zu ermöglichen. Diese Schrankenbestimmung knüpft an die Legalität der Nutzung des Werkes an. Der reine Konsum eines illegal veröffentlichen Films ist danach erlaubt (vgl. Hilgert/Hilgert, Nutzung von Streaming-Portalen, MMR 2014, 88). Die Kontrolle, ob eine rechtmäßige Nutzung vorliegt, darf jedoch nicht gänzlich der Klägerin auferlegt werden. Der Nutzer eines Videostreams hat in der Regel keine Möglichkeit der Kontrolle, ob der Film rechtmäßig öffentlich zugänglich gemacht wurde. Es hinge somit vom Zufall ab, ob der Nutzer eine Urheberrechtsverletzung begeht oder nicht.
Aber auch soweit die Voraussetzungen des § 44a UrhG hier nicht gegeben sein sollten, ist eine Vervielfältigung jedenfalls unter den Voraussetzungen des § 53 I UrhG zulässig. Danach sind einzelne Vervielfältigungen durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch dann erlaubt, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen. Allerdings darf zur Vervielfältigung keine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet werden. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit muss für den jeweiligen Nutzer erkennbar sein. Dies gewährleistet, dass der Nutzer nicht mit unerfüllbaren Prüfungspflichten belastet wird. Es obliegt dem Rechteinhaber zu beweisen, dass die vervielfältigte Vorlage offensichtlich rechtswidrig hergestellt oder unerlaubt öffentlich zugänglich gemacht wurde (vgl. BT-Drs. 16/1828, S. 26). Ein entsprechender Beweisantritt seitens der Beklagten ist hier ausgeblieben. Dem steht auch nicht der Hinweis der Beklagten entgegen, dass es auf der Internetseite www.redtube.com kein Impressum gibt, so dass sich schlussfolgern ließe, dass sich die Betreiber an die für jede Internetseite geltenden Gesetze und Vorschriften nicht halten wolle und sich insofern eine Rechtswidrigkeit der Quelle aufdränge. Insofern handelt es sich bei dem Vorbringen der Beklagten um eine unsubstantiierte Behauptung ins Blaue hinein. Insbesondere fehlt es an einem Beweisantritt, aus dem sich die Behauptung der Beklagten schlussfolgern ließe. Eine offensichtlich rechtswidrige Vorlage ist daher nur dann anzunehmen, wenn eine rechtmäßige Veröffentlichung vernünftigerweise ausgeschlossen werden kann bzw. an der Rechtswidrigkeit keine ernsthaften Zweifel bestehen können (Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 53 Rn. 23). Beim Streaming kann dies allenfalls dann gelten, wenn aktuelle Kinofilme oder Fernsehserien bereits vor oder kurz nach dem offiziellen Kinostart bzw. vor der Erstausstrahlung im deutschen Fernsehen kostenlos angeboten werden (vgl. Urteil des AG Leipzig vom 21.12.2011, 200 Ls 390 Js 184/11 im Fall des Portals kino.to). Bei dem Film, der Gegenstand der streitgegenständlichen Abmahnung war, ist dies nicht der Fall. Der durchschnittliche Internetznutzer kann davon ausgehen, dass die Betreiber eines Streaming-Portals die erforderlichen Rechte an den Filmen erworben haben.