Die Corona-Pandemie hat uns alle seit mehr als einem Jahr im Griff. Jeder von uns…
Aus dem Alltag eines Anwalts: Ich habe einen Termin
Anders als manche Kollegen haben wir in unserer Kanzlei darauf verzichtet, für „Laufkundschaft“ ständig erreichbar zu sein. So haben wir uns beispielsweise ganz bewusst gegen die Einrichtung eines Sekretariats entschieden mit der Folge, dass wir nicht nur alle Anrufe persönlich beantworten, sondern auch alle Termine selbst vereinbaren.
Der Verzicht auf ein Sekretariat wird gelegentlich von Außenstehenden verwundert zur Kenntnis genommen. So hat der eine oder andere Mandant sich bereits dazu aufgefordert gefühlt, uns gegenüber als Kanzleiberater tätig zu werden und die Einstellung von Personal nicht nur anzuraten, sondern geradewegs zu fordern. Denn – so die nur teilweise nachvollziehbare Logik hinter solchen Ratschlägen – dann könne man Rechtsprobleme ja bereits der Dame am Telefon schildern, wenn der Rechtsanwalt gerade nicht erreichbar sei. Auf die Frage, ob der jeweils selbst ernannte Unternehmensberater dann auch mit der Beratung durch eine Sekretärin zufrieden wäre oder doch lieber den anwaltlichen Rat, um den er sich eigentlich bemüht hatte, entgegennehmen würde, folgt zumeist nachdenkliches Schweigen.
Die Ausgestaltung unseres Kanzleibetriebs in dieser Weise macht es indessen auch erforderlich, vorab einen Termin zu vereinbaren, um nicht – beispielsweise aufgrund der Wahrnehmung von auswärtigen Terminen oder der Teilnahme an Besprechungen unsererseits – vor verschlossenen Türen zu stehen.
Besonders geschickt wollte dies heute ein Mandant umgehen.
Gegen 9:00 Uhr klingelte es in der Kanzlei und besagter Mandant stand vor der Tür – etwas zur Überraschung des Kollegen Schreiner, der diese öffnete. Denn: zwar sah der Terminkalender des Kollegen für den Vormittag diverse Besprechungen vor, allerdings nicht zu dieser Uhrzeit, und nicht mit diesem Mandanten.
Nachdem es bei besagtem Mandanten auch nicht um Leben oder Tod ging, sondern eine eher nicht eilbedürftige Angelegenheit, schlug der Kollege daher vor, einen Termin in der nächsten Woche zu vereinbaren, da ein ad hoc Termin aufgrund dringlicher Aktenarbeit nicht möglich war.
Einen Termin wollte der Mandant indessen nicht vereinbaren, denn: er habe ja bereits einen Termin, und zwar jetzt, um 9:00 Uhr. Ein Blick in den Terminkalender besagte etwas anderes, doch der Mandant beharrte darauf und versicherte sodann: „Ich habe jetzt einen Termin, denn ich habe diesen mit Ihrer Sekretärin ausgemacht.“
Hierauf schlug mein Kollege vor, dem Mandanten an Ort und Stelle einen Betrag in Höhe von 1.000,- Euro auszuzahlen. Die einzige Voraussetzung dafür: der Mandant solle die Sekretärin, mit der er den Termin vereinbart habe, nennen.
Um es kurz zu machen: zur Zahlung kam es nicht.
Unbeantwortet blieb indessen die Frage, ob der Mandant vielleicht tatsächlich mit einer Dame telefoniert hatte und einen Termin bei einem Rechtsanwalt ausgemacht hatte – beides allerdings in einer anderen Kanzlei.