Die Corona-Pandemie hat uns alle seit mehr als einem Jahr im Griff. Jeder von uns…
Aus dem Alltag eines Anwalts: Es ist was faul im Staate D… oder: auch Aluhutträger haben’s schwer
Schon seit längerem lässt sich in unserem Land eine erhebliche Verschlechterung der Diskussionskultur feststellen, was an sich ein jeder von uns jeden Tag in den verschiedensten Situationen wahrnehmen kann.
Ein großes Problem, das damit im Zusammenhang steht, und das auch seit mehreren Jahren vermehrt zu rechtlichen Auseinandersetzungen geführt hat, sind (vermeintliche) Meinungsäußerungen im Internet. So vertreten wir seit etwa 5 Jahren immer wieder Unternehmer, die sich gegen im Internet veröffentlichte, rechtswidrige Äußerungen wehren müssen. Die große Mehrheit dieser Angelegenheiten betrifft das Vorgehen gegen rechtswidrige Bewertungen, die von Nutzern in verschiedenen Bewertungsportalen im Internet, z.B. bei Jameda, Qype, GoLocal usw., oder bei Suchmaschinen wie Google für dort gelistete Unternehmen abgegeben werden.
Zunächst einmal ist es aus meiner persönlichen Sicht sehr zu begrüßen, dass derartige Bewertungsportale die Möglichkeit eröffnen, Informationen zu einem Unternehmen einzuholen. Früher war dies nur mit erheblich mehr Aufwand möglich, wenn überhaupt. Zumeist war man als potentieller Kunde darauf verwiesen, ob man über Empfehlungen aus dem persönlichen Umfeld entsprechende Kenntnisse erlangen konnte.
Allerdings – auch wenn die Rechtslage derzeit eine andere ist – bin ich persönlich kein Freund davon, dass solche Bewertungen anonym abgegeben werden können und dürfen. Befürworter hiervon verweisen stets darauf, dass dies aus Gründen des Datenschutzes nötig sei, oder schon deswegen, weil derjenige, der gezwungen wäre, sich unter seinem echten Namen zu äußern, dies womöglich aus Angst vor möglichen Folgen nicht tun würde.
Leider hat diese Situation auch dazu geführt, dass ein erheblicher Teil der Bewertungen, die im Internet abgegeben werden, vor dem (vermeintlichen) Schutz der Anonymität weit über das Ziel hinausschießen. So ist aus verschiedenen Bereichen, z.B. im Bereich der Touristik und des Hotelwesens, durchaus bekannt, dass sich Unternehmer mitunter der kriminellen Ankündigung ausgesetzt sehen, Zahlungen in Höhe vieler tausend Euro zu leisten, andernfalls ihre Einträge im Internet mit negativen Bewertungen „zugemüllt“ würden.
Es geht allerdings nicht immer nur um die großen Fische. Da ein jeder Bewertungen abgeben kann, der halbwegs im Umgang mit egal welcher Art internetfähiger Empfangsgeräte vertraut ist, nutzen auch mehr und mehr Menschen das Internet einfach nur dazu, ihre eigenen Ansichten auch dort zu verbreiten, wo sie schlicht nichts zu suchen haben. Wie sagte einst Dieter Nuhr: „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fr… halten.“
Ein Beispiel: weil man den eigenen Nachbarn nicht mag und der zufällig einen Elektrohandel hat, würgt man dem ungeliebten Störenfried mal kurz eine 1-Sterne Bewertung rein.
Nun gibt es durchaus Möglichkeiten, sich hiergegen zu wehren und solche Bewertungen anzugreifen. Auch ist es in vielen Fällen möglich, gegen den Verfasser der Bewertung vorzugehen – und zwar sowohl zivil- wie auch strafrechtlich. Viele Verfasser von Bewertungen sind sich tatsächlich nicht im Klaren darüber, dass eine rechtswidrige Bewertung sehr unschöne Folgen haben und durchaus geeignet sein kann, massive Schadenersatzansprüche nach sich zu ziehen.
In vielen Fällen bleiben die geschädigten Unternehmen allerdings auch auf den Kosten sitzen.
Meine persönliche Meinung: so wie sich ein jeder Unternehmer zu Recht für seine Leistung verantworten muss und (sachliche und berechtigte) öffentliche Kritik an dieser hinzunehmen hat, sollte auch derjenige, der eine Kritik äußern möchte, dies unter Nennung seines echten Namens tun müssen. Ich persönlich jedenfalls finde die Bewertung eines Nutzers, der sich unter seinem echten Namen zu einem echten Vorgang äußert, deutlich vertrauenswürdiger als eine nichtssagende x-Sterne Bewertung durch den Nutzer „wrionwiru83“.
Solange das nicht der Fall ist, werden sich auch in Zukunft viele Unternehmer gegen rechtswidrige Bewertungen im Internet wehren müssen.
Was nun allerdings – beginnend mit der Corona-Krise – zuweilen auf meinem Kanzleitisch landet, geht weit über die oben geschilderte Situation hinaus.
Seit etwa März dieses Jahres haben wir zahlreiche Mandate übernommen, in denen sich die Betroffenen gegen Rufschädigungen wehren müssen, die in einem in keiner Weise nachvollziehbaren Ausmaß erfolgen.
Betroffen sind hier in erster Linie solche Personen, die es gewagt haben, sich in der Öffentlichkeit kritisch betreffend die Corona-Situation zu äußern. Von denjenigen Mandanten, die wir in diesem Zusammenhang vertreten und vertreten haben, haben nicht wenige sich als Corona-Leugner, Covidioten oder Aluhutträger bezeichnen lassen müssen.
Für mich persönlich war in diesem Zusammenhang auch ernüchternd bis erschreckend: viele der Mandanten, die wir vertreten, könnte man durchaus als Fachleute betreffend den Bereich, zu dem sie sich geäußert haben, bezeichnen. So haben wir mittlerweile u.a. einige Ärzte und Ärztinnen dabei unterstützt, rechtswidrige Bewertungen löschen zu lassen.
Nach der Rechtsprechung des BGH gilt derzeit, dass derjenige, der eine Bewertung für ein Unternehmen abgibt, diese auf einen sachlichen Anknüpfungspunkt stellen muss. Man könnte das vereinfacht und verkürzt als „tatsächlichen Kundenkontakt“ bezeichnen, soll heißen: derjenige, der einen Arzt oder eine Ärztin bewertet, sollte nach Möglichkeit Patient oder Patientin dort gewesen sein, denn worauf sonst sollte sich die Bewertung stützen?
Freilich ist diese an sich logische Grundlage für Bewertungen derzeit in vielen Fällen eher Wunschdenken.
Die von uns vertretenen Ärzte und Ärztinnen beispielsweise mussten sich offensichtlich nicht für ihre ärztliche Leistung gegenüber ihren Patienten und Patientinnen bewerten lassen, sondern eben dafür, dass sie nach Meinung der Verfasser der Bewertungen nun einmal Corona-Leugner, Covidioten oder Aluhutträger sind und sich erlaubt haben, sich in der Öffentlichkeit abweichend von der Meinung des Verfassers der Bewertung zu äußern.
Es ist an dieser Stelle nicht von Bedeutung, welche Ansicht betreffend die Corona-Situation richtig ist. Denn das wird man vermutlich erst in einigen Jahren beurteilen können.
Und es geht hier noch nicht einmal darum, dass Meinungen von Ärzten oder Ärztinnen anstelle von deren beruflichen Leistungen bewertet werden. Denn das ist leider eine Folge der sich verschlechternden Diskussionskultur.
Es geht vielmehr um das grundlegende Problem, dass die Verfasser solcher Bewertungen ganz offensichtlich kein Problem damit haben, aus eigener Überzeugung heraus anderen Menschen massiv zu schaden – einfach nur, weil sie es aus der vermeintlichen Anonymität heraus tun können.
Das betrifft freilich nicht nur den soeben erwähnten Bereich und nicht nur die Corona-Situation, speziell in dieser kommt nun aber erschwerend hinzu, dass sich aus einem nicht nachvollziehbaren Grund in einigen Fällen die Bearbeitung von Prüf- und Löschanfragen, die wir bei Bewertungsportalen einreichen, seit geraumer Zeit erheblich verzögern – d.h. zumindest dann, wenn es um eben wieder rechtswidrige Bewertungen geht, gegen die sich die vermeintlichen Corona-Leugner, Covidioten oder Aluhutträger zur Wehr setzen müssen.
Im letzten Jahr habe ich interessehalber eine recht umfangreiche Statistik angelegt, innerhalb welchen Zeitraums rechtswidrige Bewertungen durch die einzelnen Portale gelöscht werden. Beispielhaft sei hier Google erwähnt: haben wir für unsere Mandantschaft eine entsprechende Prüf- und Löschanfrage an Google gerichtet, so dauerte es im Schnitt 7,1 Tage, bis eine rechtswidrig abgegebene Bewertung gelöscht worden ist.
Derzeit ist das anders. Derzeit bestätigt Google zwar – wie früher schon – den Eingang der entsprechenden Anfragen, weist aber zugleich darauf hin, dass aufgrund der Corona-Pandemie Verzögerungen in der Bearbeitung möglich seien. Selbst wenn man dem nun Glauben schenken mag: aus meiner Sicht erklärt dies nicht, weshalb wir bei rechtswidrigen Bewertungen, die für Corona-Leugner, Covidioten oder Aluhutträger abgegeben wurden, rund 4 mal so lange auf die Löschungsbestätigung warten müssen wie in allen anderen Fällen. Man kann das Verfahren natürlich beschleunigen, durch entsprechende Fristsetzung und nach Fristablauf ergriffene gerichtliche Schritte. Aber: auch das sind wieder Kosten, die der betreffende Corona-Leugner, Covidioten oder Aluhutträger erst einmal einkalkulieren muss.
Hiervon abgesehen habe ich in diesem Zusammenhang noch eine weitere Erfahrung machen müssen, die ich derzeit noch nicht abschließend bewerten möchte: während die betroffenen Corona-Leugner, Covidioten oder Aluhutträger wie selbstverständlich eine Vielzahl von negativen Bewertungen hinnehmen müssen, haben selbst zuvor gut bewertete Ärzte und Ärztinnen plötzlich ein Problem damit, auch nur eine einzige positive Bewertungen freigeschaltet zu bekommen.
Aus eigener Erfahrung durch die versuchte Abgabe mehrerer Bewertungen kann ich bestätigen: wer erst einmal als Corona-Leugner, Covidioten oder Aluhutträger gilt, der wird lange darauf warten müssen, ehe abgegebene Positivbewertungen tatsächlich wieder veröffentlicht werden.
Davon kann man nun halten was man will, es wirft allerdings durchaus Fragen auf.