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Warum Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen als Abzocke empfunden werden
Es ist kein großes Geheimnis, dass Filesharing-Abmahnungen seit Jahren der Vorwurf der Abzocke anhaftet. Selbstverständlich stellt das Rechtsinstitut der Abmahnung nach deutscher Gesetzeslage ein Instrument dar, Rechtsverstöße schnell und kostengünstig außergerichtlich aus der Welt zu schaffen. Nicht nur wegen der hohen Geldbeträge, die seit Jahren (neben der Abgabe einer Unterlassungserklärung) in allen Abmahnangelegenheiten gefordert werden, sondern auch weil dies an sich immer mit standardisierten Abmahnschreiben passiert, nimmt ein Großteil der Betroffenen urheberrechtliche Abmahnungen kaum als mehr wahr als eine nur auf die Erzielung von Einnahmen gerichtete Maschinerie. Abmahnindustrie ist das Stichwort, das in diesem Zusammenhang gerne fällt.
Nun kann man freilich viel über Sinn und Zweck einer Filesharing-Abmahnung diskutieren, außergerichtlich oder vor Gericht über die Ansprüche streiten und alles und jeden hinterfragen. Egal ob man als Privatperson oder von Berufs wegen mit Abmahnungen in Kontakt kommt: irgendwann entdeckt man oder entwickeln sich Verschwörungstheorien der groß angelegten Volksabzocke.
Auch als Anwalt, der zur Sachlichkeit verpflichtet ist, lässt sich diesem Gedankengang nicht immer widersprechen. Natürlich gibt es Rechtsverletzungen im Internet, und natürlich ist deren Verfolgung nachvollziehbar und in einigen Fällen gerechtfertigt. Trotzdem landen auch auf dem Tisch eines Anwalts, der Abgemahnte nach Erhalt einer Abmahnung vertritt, immer wieder solche Fälle, in denen irgendetwas nicht passt.
Dazu gehören zum Beispiel die Abmahnungen der Rechtsanwaltskanzlei Munderloh, die uns derzeit zur Prüfung vorgelegt werden. Rechtsanwalt Rainer Munderloh ist schon seit längerer Zeit im Auftrag der RGF Productions Limited tätig und spricht in deren Namen Abmahnungen aus, die sich immer auf eher unbekannte „Pornofilme“ beziehen. Soweit ist diese Konstellation nicht ungewöhnlich, auch an Filmen mit „Erwachseneninhalten“ können Urheberrechte bestehen und verletzt werden und mittels einer Abmahnung verfolgt werden.
Etwas befremdlich ist es dann aber, wenn die vorgelegte Abmahnung alle Hinweise auf die oft unterstellte Abzocke bietet. Die aktuell vorgelegten Abmahnschreiben werfen insoweit eine Vielzahl an Fragen auf, deren Beantwortung ich mir an dieser Stelle sparen muss, um der anwaltlichen Sachlichkeitsverpflichtung nachzukommen.
Jedenfalls werden die Empfänger der betreffenden Abmahnschreiben – wie auch schon in den letzten Jahren, wenn Abmahnungen durch die RGF Productions Limited/ Rechtsanwalt Rainer Munderloh ausgesprochen worden sind – aufgefordert, eine (aus meiner Sicht viel zu weit gehende) Unterlassungserklärung mit Zahlungsverpflichtung abzugeben und eine Zahlung in Höhe von insgesamt 780,- Euro zu leisten.
Dieser Betrag versteht sich als „günstiges“ Vergleichsangebot, tatsächlich sollen Ansprüche auf Schadenersatz in Höhe von 600,- Euro, Ermittlungskosten in Höhe von 234,- Euro, Verfahrenskosten des Auskunftsverfahrens in Höhe von 25,- Euro, Anwaltskosten hierfür in Höhe von 35,- Euro, Kosten einer Providerauskunft in Höhe von 3,50 Euro sowie Rechtsanwaltskosten für den Ausspruch der Abmahnung aus einem Gegenstandswert von 15.000,- Euro in Höhe von 755,80 Euro bestehen.
Hierzu einige Anmerkungen: ungeachtet der Tatsache, dass die Rechtsprechung zuletzt durchaus die Tendenz erkennen hat lassen, jedenfalls bei Pornofilmen mit niedrigeren Schadenersatzbeträgen rechnen zu wollen (z.B. AG Hamburg, Urteil vom 20.12.2013, Az. 36a C 134/13: 100,- Euro, AG Düsseldorf, Urteil vom 20.05.2014, Az. 57 C 16445/13: ca. 90,- Euro), dürfte der Ansatz von 234,- Euro Ermittlungskosten durchaus als ungewöhnlich hoch zu bewerten sein.
Viel interessanter ist da schon, dass die geltend gemachten Anwaltsgebühren aus einem Gegenstandswert von 15.000,- Euro sich auf 755,80 Euro belaufen sollen. Das wäre richtig – wenn die Abmahnung vor dem 01.08.2013 ausgesprochen worden wäre. Seit dem 01.08.2013 sind allerdings die RVG-Gebühren erhöht worden, so dass hier jetzt eigentlich ein Betrag von 865,- Euro stehen müsste.
Warum das nicht so ist? Diese Frage ist schnell beantwortet: weil die gesamte Abmahnung nicht der aktuellen Rechtslage entspricht, sondern sich in Textbausteinen erschöpft, die vor der RVG-Änderung und auch vor dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken erstellt wurden.
Mit dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken hat der Gesetzgeber u.a. § 97a UrhG neu gefasst, hierin u.a. verschiedene Formerfordernisse für eine Abmahnung aufgestellt. Auch hat der Gesetzgeber als Grundsatz aufgenommen, dass die Erstattungsansprüche für angefallene Anwaltskosten auf die Gebühren aus einem Gegenstandswert in Höhe von 1.000,- Euro (= 124,- Euro netto) beschränkt sind.
Diese Punkte werden in der Abmahnung aber überhaupt nicht angesprochen. Stattdessen wird in der Abmahnung sogar noch auf den alten und für neue Verfahren außer Kraft gesetzten § 97a Abs. 2 UrhG verwiesen und erläutert, weshalb die Deckelung auf 100,- Euro nicht in Betracht kommt.
Es ist daher an sich auch nicht mehr wirklich verwunderlich, dass in dem Abmahnschreiben die gesamte Rechtsprechung des BGH seit 2010 (!) unberücksichtigt bleibt, und zwar sowohl BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 – Sommer unseres Lebens, BGH, Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 = WRP 2013, 799 – Morpheus oder auch BGH, Urteil vom 8. 1. 2014 – I ZR 169/12 – BearShare.
Stattdessen wird unter Hinweis auf OLG-Rechtsprechung des Jahres 2009 darauf verwiesen, dass der Anschlussinhaber sowohl für eigenes als auch fremdes Verhalten ohne Einschränkung haftbar sei.
Jeder, der eine solche Abmahnung erhält, steht nun vor einem Problem: grundsätzlich besteht bei Abmahnungen immer das Risiko, dass Ansprüche gerichtlich geltend gemacht werden. Geschieht dies mit einer Unterlassungsklage oder einer einstweiligen Verfügung, so können dabei auch durchaus hohe Verfahrenskosten im Raum stehen. Deswegen wird regelmäßig dazu geraten, auf die Abmahnung in jedem Falle zu reagieren. Und oft lautet dieser Ratschlag nach wie vor, eine modifizierte Unterlassungserklärung abzugeben.
Aus meiner Sicht wäre diese pauschale Empfehlung jedenfalls bei Abmahnungen, die dem oben beschrieben Muster entsprechen, falsch. Eher in Betracht käme aus meiner Sicht ein Berufen auf eine mögliche Unwirksamkeit der Abmahnung. Hätte die RGF Productions Limited ihren Sitz nicht in Irland und müsste man nicht befürchten, auf Prozesskosten sitzen zu bleiben, so sollte aus meiner Sicht gar die Erhebung einer negativen Feststellungsklage in Betracht gezogen werden.
Vorsichtig ausgedrückt wird man jedenfalls sagen können, dass die beschriebenen Abmahnungen nicht unbedingt ein gutes Beispiel dafür abgeben, dass Filesharing-Abmahnungen keine Abzocke sind.